Newsletter: Gewaltbereiten Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen
23.10.2019

Nach dem Anschlag in Halle und dem Mord an Walter Lübcke müssen die Sicherheitsbehörden eine einheitliche Strategie im Kampf gegen den Rechtsextremismus entwickeln. Die deutsche Sicherheitsarchitektur gehört auf den Prüfstand, gefährdete Personen und Objekte müssen besser geschützt werden und Präventionsarbeit braucht eine langfristige Finanzierung.
Der rechtsextremistische Anschlag von Halle war keine Zäsur. Aber er hat noch einmal verdeutlicht, dass der Kampf gegen rechtsextremistische Tendenzen weiter verstärkt werden muss. Die Bundesregierung muss den ohnehin geplanten Stellenaufwuchs in den Sicherheitsbehörden nutzen, um den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus spürbar zu intensivieren. Außerdem muss der Schutz von Opfern rechtsextremer Straftaten verbessert werden. Um der Bundesregierung dabei Druck zu machen, hat die FDP-Bundestagsfraktion ein 13-Punkte-Papier zur Bekämpfung von Rechtsextremismus in den Bundestag eingebracht.
Konkret muss ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus durch Bund und Länder entwickelt werden. Solch ein Konzept soll alle Facetten von Prävention bis zu repressiven Maßnahmen beinhalten. Ziel ist es, das bundesweite Zusammenspiel von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zu verbessern und den Verfolgungsdruck auf die gewaltbereite Szene merklich zu erhöhen. Damit einher muss eine Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur gehen. Bereits vorherige Anschläge wie das Attentat am Breitscheitplatz haben hier erheblichen Handlungsbedarf aufgezeigt. Deswegen müssen die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit im Sicherheitsbereich verbessert werden, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zugeordnet werden und die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung müssen gesteigert werden. Eine gemeinsame Kommission aus Bund und Ländern kann entsprechende Reformvorschläge erarbeiten.
Außerdem muss endlich eine Rechtsgrundlage für das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) geschaffen werden, um die Verbindlichkeit getroffener Verabredungen zu sichern und belastbare Zuständigkeiten zu schaffen. Um dies umzusetzen, muss das GETZ eine zentrale Rolle in der Kooperation und Kommunikation für Polizei und Nachrichtendienste von Bund und Ländern einnehmen. Damit einher muss die Verbesserung der Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden gehen. Der Stellenaufwuchs muss durchgeführt werden und externe Experten sowie Wissenschaftler und Historiker bei der Analyse und Auswertung von Daten mit eingebunden werden. Zudem müssen Beamtinnen und Beamte fortgebildet werden, um Codes der Rechtsextremen besser, schneller und zielgerichteter zu erkennen.
Des Weiteren muss die Entwaffnung der rechtsextremen Szene weiter vorangetrieben werden. Im Jahr 2018 waren immer noch mehr als 605 sogenannte Reichbürger im Besitz von waffenrechtlichen Erlaubnissen. Ihnen muss die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen werden, sobald sie der rechtsextremen Szene angehören. Dazu gehört auch die Bekämpfung des illegalen Waffenhandels.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Vorgehen gegen rechtsextremistische Organisationen und rechtsextremistische Netzwerke in ganz Europa. Rechtsextreme und gewaltbereite Organisationen können nicht erwarten, die Vorteile der offenen Gesellschaft nutzen zu können, die sie mit allen Mitteln bekämpfen. Deshalb ist die Bundesregierung gefordert, die Voraussetzungen von Vereinsverboten bei einschlägigen rechtsextremen Organisationen regelmäßig neu zu prüfen. Besonders der Mord an Walter Lübcke hat aufgezeigt, dass die Behörden in den letzten Jahren viel verschlafen haben und jetzt umso mehr Handlungsbedarf besteht. Umso wichtiger ist es auch, dass der Fokus zur Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke konsequent auf ganz Europa ausgeweitet wird. Die Bundesregierung muss bereits existierende Abkommen bei der Strafverfolgung gemeinsam mit den europäischen Partnern nutzen und sich auf europäischer Ebene für weitere Maßnahmen bei der Bekämpfung europaweiter bis hin zu weltweiter Neonazi-Netzwerke einsetzen. Hierzu müssen die Sicherheitsbehörden nicht nur die Netzwerke selbst, aber auch Veranstaltungen und weitere Plattformen zur Gewinnung und Radikalisierung unter die Lupe nehmen. Kommunen sollten daher konsequent die ihnen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um Veranstaltungen und insbesondere Konzerte, wie Rechtsrock, zu unterbinden.
Zudem muss der Schutz von gefährdeten Objekten und Personen verbessert werden. Die Bundesregierung muss deshalb im Rahmen der Innenministerkonferenz ein einheitliches Schutzkonzept von Bund und Ländern für den Umgang mit Schutzobjekten wie etwa jüdischen Einrichtungen anstoßen. Dazu gehört auch ein verbesserter Umgang mit den Todeslisten. Notwendig sind deshalb zwischen Bund und Ländern abgestimmte Leitlinien, bei welcher Gefährdungslage die Ansprache von Betroffenen zwingend erforderlich ist und wie genau Betroffene unterstützt werden. Außerdem sollte die Bundesregierung hierfür eine Ombudsperson berufen, die als zentrale Anlaufstelle fungiert.
Der Rechtsstaat muss sich überdies konsequent im Internet durchsetzen und gegen Drohungen, Hasskommentare und Beleidigungen rigoros vorgehen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vergleichbar mit dem Anspruch im Urheberrecht auch für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten einen eigenen, klar und eng umrissenen Auskunftsanspruch der betroffenen Personen zum Zweck der privatrechtlichen Rechtsverfolgung schafft. Das würde den Opfern von Hasskommentaren einen zusätzlichen Schutz bieten.
Abschließend ist auch ein Sofortprogramm gegen Antisemitismus auf den Weg zu bringen. Mit dem Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ werden zwar bereits unter anderem Vereine, Initiativen sowie Demokratiezentren und Partnerschaften für Demokratie gefördert, die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen, allerdings existieren im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bislang keine weiteren Programme, die explizit Maßnahmen zur Demokratieförderung zur Aufgabe haben. Damit sichergestellt wird, dass ausreichend Mittel in Projekte fließen, die sich insbesondere durch Aufklärung und Prävention, aber auch durch Angebote der Deradikalisierung und daran anknüpfender Ausstiegsarbeit explizit dem Kampf gegen Antisemitismus widmen, sollte die Bundesregierung ein zusätzliches „Sofortprogramm gegen Antisemitismus“ auf den Weg bringen und mit Bundesmitteln in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro ausstatten.