Für eine Bleibeperspektive für gut integrierte Syrerinnen und Syrer
Der Sturz des Assad-Regimes in Syrien ist mit weitreichenden Folgen für die Lage im Nahen Osten verbunden. Bei aller Hoffnung auf Frieden und Freiheit für die syrische Bevölkerung nach dem Ende der Diktatur – es ist keineswegs ausgemacht, dass die derzeitige Lage zu mehr und nicht zu weniger Stabilität führt. Deutschland muss sich daher nun auf internationaler Ebene gemeinsam mit seinen Verbündeten für eine Syrien-Konferenz einsetzen, bei der es um Stabilität für den gesamten Nahen Osten geht. Es muss verhindert werden, dass Instabilität und Gewalt in Syrien erneut zu starken Fluchtbewegungen führen.
Auch die aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen auf syrische Staatsangehörige in Deutschland sind derzeit noch nicht absehbar. Derzeit leben etwa eine Million Menschen syrischer Herkunft in Deutschland. Aufgrund der sich verändernden Situation hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Prüfung neuer Asylanträge ausgesetzt. Sollte sich die Situation in Syrien stabilisieren, werden diese Anträge richtigerweise vermehrt abgelehnt werden. Auch die Aufenthaltstitel von bisher Schutzberechtigten müssen dann überprüft werden. Denn wenn es keine Verfolgung und Gewalt im Herkunftsland mehr gibt, entfällt auch der rechtliche Grund für den Schutz in Deutschland. In diesem Fall müssen die Menschen in ihre Heimat zurückkehren.
Viele Menschen aus Syrien haben sich in den vergangenen Jahren in Deutschland jedoch gut integriert. Für gut integrierte Syrerinnen und Syrer, die hierzulande ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, keine Straftaten begangen und die deutsche Sprache erlernt haben, sollte es daher eine Bleibeperspektive geben. Der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft haben in den vergangenen Jahren einen erheblichen Aufwand zur Integration von Menschen syrischer Herkunft betrieben. So haben sich beispielsweise zahlreiche Arbeitgeber in erheblichem Umfang engagiert, um syrische Staatsangehörige anzulernen oder weiterzubilden. Andere syrische Staatsangehörige sind in Mangelberufen wie etwa im Gesundheitswesen tätig. Es liegt im Interesse unseres Landes, dass Menschen, bei denen diese Integration funktioniert hat, langfristig in Deutschland bleiben können. Dazu sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Bei allen syrischen Staatsangehörigen, die nach einem abgeschlossenen Asylverfahren auch die Voraussetzungen für ein Arbeitsvisum erfüllen, müssen die Ausländerbehörden in Abstimmung mit dem BAMF proaktiv einen zügigen und unbürokratischen Spurwechsel prüfen, bevor es zu einem Widerruf des Aufenthaltstitels kommt. § 39 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV beschreibt, dass ein Ausländer, der bereits eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, einen weiteren Aufenthaltstitel im Inland beantragen kann. Entscheidend ist, dass der frühere Aufenthaltstitel zum Zeitpunkt der Antragstellung des neuen Aufenthaltstitels noch wirksam ist. Personen, die in Deutschland ein Arbeitsvisum erhalten würden, sollten nicht erst nach Syrien zurückkehren müssen, um ein entsprechendes Visum zu beantragen.
Gut integrierte Syrerinnen und Syrer, die über keine anerkannte Berufsausbildung verfügen, wären von der hier beschriebenen Form des Spurwechsels möglicherweise nicht erfasst. Sie würden bei einem Widerruf der Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig werden. Hier könnte für Fälle aus der Vergangenheit eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis geschaffen werden, die an die tatsächliche Erwerbstätigkeit anknüpft. Die Voraussetzungen könnten sich an den Aufenthaltserlaubnissen der §§ 25a, 25b und 104c AufenthG orientieren. Die Personen müssten die vollständige Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit sowie hinreichende deutsche Sprachkenntnisse nachweisen und dürften keine Vorstrafen haben.
Das BAMF sollte sich parallel bei der Prüfung des Widerrufs der Aufenthaltstitel auf Menschen konzentrieren, die in Deutschland nicht erwerbstätig sind. Außerdem sollte das BAMF zunächst einen Widerruf der Aufenthaltstitel solcher Personen prüfen, die erst kürzlich nach Deutschland eingereist sind und bei denen sich der Aufenthalt demnach noch nicht verfestigt hat. Selbstverständlich muss der Widerruf erst recht bei Straftätern oder Gefährdern prioritär durchgeführt werden.
Für syrische Staatsangehörige, die sich derzeit noch im Asylverfahren befinden, sollte der Stichtag des mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz eingeführten Spurwechsels vom 29. März 2023 um ein Jahr auf den 29. März 2024 verschoben werden. Auf diese Weise wird auch Menschen der Wechsel in einen erwerbsbezogenen Aufenthaltstitel ermöglicht, die erst später eingereist sind. In praktischer Hinsicht dürfte sich in diesem Fall ebenfalls das Problem ergeben, dass die Fachkräftetitel in der Regel eine anerkannte Berufsausbildung voraussetzen. Diese Anerkennung dürften die wenigsten Personen haben, die erst kürzlich nach Deutschland eingereist sind. Um die praktische Wirksamkeit dieses Spurwechsels zu erhöhen, sollte der Spurwechsel aus dem Asylverfahren auch auf die so genannte Anerkennungspartnerschaft ausgeweitet werden. Dabei unterstützt der Arbeitgeber den Antragsteller über einen bestimmten Zeitraum bei der Anerkennung der Berufsausbildung und damit bei der Erlangung des Aufenthaltstitels.
Sollte sich die Situation in Syrien stabilisieren, werden unabhängig von der asylrechtlichen Prüfung, Menschen in ihre Heimat zurückkehren wollen. Der deutsche Staat sollte syrische Staatsangehörige, die in ihrer Heimat beim Wiederaufbau helfen wollen, bei der freiwilligen Rückreise unterstützen.