Keine Verschärfung des Waffenrechts
Eine undifferenzierte Verschärfung des Waffenrechts ist im Koalitionsvertrag nicht vereinbart, denn haben in Deutschland bereits ein sehr strenges und detailliertes Waffenrecht. Bevor das Waffenrecht weitere Veränderungen erfährt, ist es deshalb zwingend notwendig, zunächst die Waffenrechtsänderungen der letzten Jahre zu evaluieren und zu untersuchen, ob es im Gesetz noch Lücken gibt, die es zu schließen gilt.
Das Waffenrecht ist in den vergangenen Jahren immer wieder reformiert worden, zuletzt hauptsächlich aufgrund von Änderungen in der EU-Feuerwaffenrichtlinie. Die jüngsten Reformen waren dabei stets sehr umstritten. Es ist unklar, ob sie tatsächlich zu einem Sicherheitsgewinn geführt haben. Bürokratische Anforderungen an Waffenbehörden, Hersteller, Händler, Sportschützen und Jäger sind jedoch erheblich gestiegen.
Im Koalitionsvertrag (S. 108) haben wir ausdrücklich festgestellt, dass die überwiegende Zahl der Waffenbesitzerinnen und -besitzer äußerst rechtstreu ist. Eine Gefahr für die Bevölkerung geht eher von der großen Zahl der illegalen Schusswaffen aus, bei denen eine Waffenrechtsverschärfung ineffektiv ist. Wir haben uns gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern dafür ausgesprochen, Terroristen und Extremisten konsequent zu entwaffnen - eine Forderung, die die FDP bereits seit langem erhebt.
Um die Wirkung der Waffenrechtsänderungen der vergangenen Jahre besser beurteilen zu können, haben wir eine umfassende Evaluation des Waffenrechts vereinbart sowie eine bessere statistische Erfassung von Straftaten mit Schusswaffen. Derzeit lassen die Zahlen beispielsweise keinen Rückschluss darauf zu, ob ein Täter eine illegale oder eine rechtmäßig besessene Waffe eingesetzt hat. Dieses Wissen hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Frage, ob Waffenrechtsverschärfungen einen Sicherheitsgewinn erzielen.
Entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag hat das Bundesinnenministerium (BMI) einen Gesetzentwurf zur Reform des Waffenrechts erarbeitet, der in Teilen noch aus Horst Seehofers Zeit als Innenminister stammt. Eine Evaluation der Rechtsänderungen der Vergangenheit hat demgegenüber noch nicht begonnen. Das BMI plant, mit diesem Gesetzentwurf weitreichende Änderungen vorzunehmen, die insbesondere Wünschen der SPD und der Grünen folgen. So sollen halbautomatische Sportwaffen erheblich eingeschränkt werden, eine Regelabfrage beim Gesundheitsamt eingeführt werden, Erstantragsteller sollen ein fachpsychologisches Gutachten vorlegen müssen und das Gastschießen in Schützenvereinen soll erheblich erschwert werden. Keine dieser Änderungen ist eine Reaktion auf die Razzia vom 7. Dezember 2022. Es liegt vielmehr der Verdacht nahe, dass das BMI die Durchsuchungen und Festnahmen gegenüber der Reichsbürger-Szene als günstige Gelegenheit nutzen will, um schon länger gewünschte Verschärfungen durchzusetzen. Das wird mit der FDP nicht zu machen sein. Denn das Vorhaben des BMI zeugt von einem generellen Misstrauen gegenüber Jägern und Sportschützen, unabhängig davon, ob diese Straftaten begehen oder sich rechtstreu verhalten.
Wir stehen diesem Vorhaben äußerst kritisch gegenüber. Im Koalitionsvertrag ist klar vereinbart, dass es zunächst eine Evaluation der bisherigen Rechtsänderungen sowie eine Verbesserung der Datenlage braucht, bevor eine Änderung des Waffenrechts in Erwägung gezogen werden kann, andernfalls können Probleme bei der Umsetzung bisheriger Regelungen nicht erfasst werden. Das geltende Waffenrecht ist bereits äußerst streng. Antragsteller müssen sich zahlreichen Kontrollen unterziehen, werden vom Verfassungsschutz und der örtlichen Polizeidienststelle überprüft. Das Waffenrecht bietet den Waffenbehörden, die es umsetzen müssen, viele Möglichkeiten, unzuverlässigen, psychisch kranken oder extremistischen Personen die Waffenerlaubnis zu entziehen. Viele Waffenbehörden tun dies auch regelmäßig. Dies führt die Innenministerin selbst an, wenn sie von über 1000 entwaffneten Reichsbürgern spricht (vgl. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/reichsbuerger-211.html, letzter Abruf 12.12.22).
Dass es dennoch Extremisten gibt, die im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis sind, liegt zum einen daran, dass die örtlichen Waffenbehörden personell und technisch teilweise sehr schlecht ausgestattet sind, so dass sie neben dem Antragsaufkommen keine ausreichende Kontrolle der bisherigen Erlaubnisinhaber gewährleisten können. Hier sind die Länder in der Pflicht, die Behörden besser auszustatten. Zum anderen verfügen die örtlichen Waffenbehörden nicht über die nötigen Erkenntnisse, um Reichsbürger und andere Extremisten zu erkennen und zügig zu handeln. Hierzu müsste zunächst der Datenaustausch von Gerichten, Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften mit den Waffenbehörden verbessert werden. Eine Verschärfung des Waffenrechts zur Entwaffnung so genannter Reichsbürger ist nicht notwendig.
Eine Änderung des Waffenrechts vor einer umfassenden Evaluation kommt daher nicht infrage. Die jüngste Gesetzesänderung stammt aus dem Jahr 2019. Auswirkungen dieser Reform lassen sich noch nicht abschätzen. Es ist zudem absehbar, dass die Europäische Kommission nach der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament erneut die EU-Feuerwaffenrichtlinie überarbeiten wird. Dies würde im deutschen Recht erneut Änderungen nötig machen. Bis zu einer derartigen Richtlinienanpassung sollte das Waffenrecht zunächst unverändert bleiben, um den ausführenden Behörden die Gelegenheit zu geben, geltendes Recht auch konsequent umzusetzen.