Waffenrecht – Zielgenau regulieren statt pauschal kriminalisieren
Jagd und Schießsport brauchen ein modernes Waffenrecht, das evidenzbasiert und benutzerfreundlich ausgestaltet werden muss.
(Dieser Beitrag erschien zunächst auf keepitliberal.de)
Das Waffenrecht ist kein Thema, mit dem sich viele Bürgerinnen und Bürger regelmäßig befassen. In das öffentliche Bewusstsein geraten Waffen und ihre Besitzer häufig im Zusammenhang mit schweren Straftaten wie Amokläufen und Terroranschlägen. In solchen Fällen geht dann ein Aufschrei durch das Land. Gesetzesverschärfungen werden gefordert, meist ohne eine genaue Analyse des Tathergangs und der Umstände des Waffenbesitzes. In einer Aufmerksamkeitsökonomie ist das bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar. Dass sich aber auch die Reformen des Waffenrechts der letzten Jahrzehnte nach den Gesetzmäßigkeiten der Medienberichterstattung richten, ist unprofessionell.
Die Vorstellung von Schusswaffen in Privatbesitz ist häufig geprägt von einem amerikanischen Bild: Der Colt am Gürtel, die Schrotflinte über der Eingangstür oder martialische Sturmgewehre, die man im Supermarkt kaufen kann. Nichts davon entspricht den deutschen Verhältnissen. Das liegt zum einen daran, dass der private Schusswaffenbesitz in Deutschland eine andere Tradition hat, zum anderen aber auch daran, dass Kauf, Besitz und Aufbewahrung von Waffen in Deutschland streng reguliert sind.
In Deutschland prägen Schützenvereine und die Jagd den privaten Waffenbesitz. Im Jahr 2016 konnten bundesweit 14.374 Schützenvereine gezählt werden. Im größten Verband, dem Deutschen Schützenbund, sind rund 1,4 Millionen Schützen organisiert, darunter auch Bogen- und Armbrustschützen. Gleichzeitig besitzen ungefähr 380.000 Deutsche einen Jagdschein. Zum Vergleich: Im Deutschen Tennisbund sind ebenfalls 1,4 Millionen Sportlerinnen und Sportler aus gut 8.800 Vereinen organisiert. Die Zahlen zeigen, Schießen ist als Sport und zur Pflege der Wildbestände in Deutschland weit verbreitet. Medial präsent ist es jedoch nicht.
Der Umgang mit Waffen muss natürlich konsequent reguliert werden, da es sich um sehr gefährliche Gegenstände mit einem hohen Missbrauchspotenzial handelt. Das deutsche Waffenrecht ist in der Folge eines der strengsten weltweit. Wer in Deutschland legal eine Waffe erwerben will, muss bei einer der 541 Waffenbehörden einen Antrag stellen, sein Bedürfnis zum Besitz einer Waffe (Sammeln, Schießsport, Jagd) unter strengen Voraussetzungen nachweisen und wird auf seine persönliche Eignung, Sachkunde und Zuverlässigkeit hin geprüft.
Straftaten mit legal besessenen Schusswaffen kommen in Deutschland sehr selten vor – wie selten kann der Polizeilichen Kriminalstatistik leider nicht entnommen werden, da eine statistische Erfassung unterbleibt. Einen Hinweis geben einzelne Erfassungen der Länder und Daten aus dem Jahr 2014. Damals waren 5 % der von deutschen Sicherheitsbehörden sichergestellten Waffen solche aus legalem Besitz.1 Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich dies zwischenzeitlich geändert hat.
Eine weitaus höhere Gefahr geht von illegal besessenen Schusswaffen aus. Bei nahezu allen schweren Terroranschlägen der letzten Jahre, in Paris, München, Halle und anderen Städten, kamen Waffen zum Einsatz, die die Täter nicht legal erworben hatten. Vielfach handelte es sich um Kriegswaffen aus den Jugoslawienkriegen der 90er-Jahre. Deshalb muss deutlich entschlossener gegen illegalen Waffenhandel vorgegangen werden. Dafür müssen nicht nur die deutschen Ermittler gestärkt werden. Es braucht vielmehr eine gemeinsame europäische Anstrengung. Eine Verschärfung des Waffengesetzes kann Schusswaffenkriminalität jedoch kaum verhindern. Wer entschlossen ist, andere Menschen mit Waffengewalt zu töten, wird sich regelmäßig nicht an Gesetze halten. Leidtragende der Verschärfungen sind Millionen Jäger, Sammler und Sportschützen.
In den vergangenen Jahren war die deutsche Waffenpolitik jedoch stets getrieben von diesen spektakulären Verbrechen. Als Reaktion auf Straftaten wurde das Waffengesetz verschärft, ohne zuvor zu analysieren, welche Defizite genau bestanden. So wurde zu Beginn des Jahres 2020 eine Regelabfrage bei den Landesämtern für Verfassungsschutz eingeführt, mit dem Ziel potenzielle Extremisten frühzeitig erkennen zu können. Anstatt jedoch von Seiten der Verfassungsschützer aktiv auf die Waffenbehörden zuzugehen, überstellen diese pauschal jeden Antrag. Aus dieser Datenflut Extremisten herauszufiltern, dürfte nahezu unmöglich sein. In der Folge stieg die Zahl bewaffneter Rechtsextremisten im Jahr 2020 um mehr als 30 %.2
Neben Straftaten erweist sich auch das EU-Recht als Treiber bei unausgegorenen Reformen. Aufgrund einer Anpassung der EU-Feuerwaffenrichtlinie musste das Nationale Waffenregister im letzten Jahr weitestgehend umstrukturiert werden. Hier sollen alle Schusswaffen mit all ihren wesentlichen Teilen erfasst werden, um den Lebensweg einer Waffe nachvollziehbar zu machen. Wie so viele Digitalisierungsprojekte in Deutschland erweist sich auch dieses in der Praxis jedoch als Sorgenkind.
Eine Gruppe junger Journalistinnen und Journalisten hat sich zu Beginn des Jahres die Mühe gemacht, alle Landesinnenministerien und alle unteren Waffenbehörden zu ihren gespeicherten Daten abzufragen. Das Ergebnis ist erschreckend. Die Daten der Ministerien und Waffenbehörden weichen von Bundesland zu Bundesland teilweise um zehntausende Waffen ab.3Insgesamt ergab die Recherche gut 5,4 Millionen Waffen in Privatbesitz. Das Bundesinnenministerium registrierte im August 2020 demgegenüber 5,57 Millionen Waffen (vgl. BT-Drucksache 19/25650). Diese Abweichungen sind darauf zurückzuführen, dass das Nationale Waffenregister, das von 541 kleinen Waffenbehörden in den Ländern geführt wird, technisch schlecht aufgestellt ist und eine miserable Datenqualität aufweist.
Es liegt also viel im Argen. Eine liberale Waffenpolitik muss deshalb eine Generalrevision des Waffengesetzes zum Ziel haben. Die Vielzahl der Gesetzesänderungen der Vergangenheit hat das Waffengesetz unhandlich und benutzerunfreundlich gemacht. Hierunter leiden nicht nur die Waffenbesitzerinnen und -besitzer. Dieser Umstand belastet auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Waffenbehörden. In der Folge werden Register fehlerhaft geführt, Anträge verzögert bearbeitet und die Kommunikation der Behörden untereinander leidet. Ein modernes Waffenrecht muss übersichtlich und leicht verständlich sein. Regelungen, die übereilt eingeführt wurden, um vermeintlich die Sicherheit zu erhöhen, müssen auf den Prüfstand und hinsichtlich ihrer Geeignetheit und Erforderlichkeit neu bewertet werden.
Schusswaffen dürfen nicht in die Hände von Extremisten oder Menschen mit psychischen Erkrankungen gelangen. Die Waffenbehörden stehen in der Verantwortung, dies sicherzustellen. Um sie auch in die Lage zu versetzen, das leisten zu können, muss die Kommunikation der Behörden untereinander erheblich verbessert werden. Gleichzeitig dürfen wichtige Informationen nicht in großen Mengen unwesentlicher Daten untergehen, wie es bei der Regelabfrage beim Verfassungsschutz der Fall ist. Die Kommunikation sollte daher stets von der Stelle ausgehen, die über die wesentlichen Informationen verfügt und nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit aufgebaut sein.
Ein wichtiger Eckpfeiler eines modernen Waffenrechts ist ein zeitgemäßes, digitales Waffenregister, das den Behörden alle wichtigen Informationen zur Verfügung stellt, aber auch eine Kommunikation mit anderen Beteiligten wie beispielsweise den Waffenhändlern zulässt. Diese Sammlung hochsensibler Daten muss vor unbefugtem Zugriff entsprechend geschützt und ihre Qualität durch ein regelmäßiges Datenmonitoring sichergestellt werden.
Schließlich muss liberale Waffenpolitik auch klar kommunizieren, dass ein Waffengesetz Waffenkriminalität nur bedingt bekämpfen kann. Hierzu braucht es vielmehr ein entschlosseneres Vorgehen gegen Besitz und Handel mit illegalen Waffen. In diesem Zuge muss die Polizeiliche Kriminalstatistik um eine genaue Erfassung der bei Straftaten zum Einsatz kommenden Waffen erweitert werden. Ein Ausbau des Bundeslagebildes zur Waffenkriminalität, welches das Bundeskriminalamt regelmäßig herausgibt, kann anschließend aufzeigen, wo Schwachstellen in der Gesetzgebung vorliegen.
Was bei der Bekämpfung von Waffenkriminalität nicht hilfreich ist, ist Millionen rechtstreue Bürgerinnen und Bürger zu kriminalisieren, wie es die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Pauschalverbot privaten Waffenbesitzes vormachen. Einer solchen Forderung müssen wir frühzeitig eine klare Absage erteilen. Der Schießsport hat vor allem in den ländlichen Regionen Deutschlands eine große traditionelle und kulturelle Bedeutung. Diese Tradition gilt es zu bewahren und zu pflegen.