Wir müssen den Städten neues Leben einhauchen

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Kolumne „Kipping oder Kuhle“ zuerst auf ntv.de: (https://www.n-tv.de/politik/politik_kipping_oder_kuhle/Wir-muessen-den-Staedten-neues-Leben-einhauchen-article22541659.html)

Statt das Angebot mit schlecht gemachten oder gar verfassungswidrigen Gesetzen immer weiter zu verknappen, muss der Staat endlich dafür sorgen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. So schwer ist das gar nicht.

Ende März erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zum so genannten Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig. Die Länder dürften keine eigenen Regelungen zum Mietrecht erlassen, so urteilten die Karlsruher Richter, da der Bund von seiner Regelungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe. Noch am selben Tag erklärten SPD, Grüne und Linke es zum politischen Ziel, auf Bundesebene eine Regelung nach dem Vorbild des Berliner Mietendeckels einzuführen. Denn in der Sache habe sich der Mietendeckel bewährt.Das ist ein gefährlicher Trugschluss. Nachdem der Berliner Mietendeckel im Januar 2020 beschlossen worden war, gingen die Investitionen in Neubauten in Berlin zurück. Die Zahl der Baugenehmigungen brach ein und es waren weniger neue Wohnungen verfügbar. Tausende Berliner Haushalte sparten zwar einen Teil der Miete ein. Doch jetzt haben ausgerechnet diejenigen Schwierigkeiten, die Nachzahlungen für den unwirksamen Mietendeckel zu leisten, die jeden Euro umdrehen müssen. Je wohlhabender ein Haushalt ist, umso eher kann er den verkorksten staatlichen Eingriff in die Mietpreisentwicklung verkraften.Diesen Effekt teilt der Berliner Mietendeckel mit der im Jahr 2020 zuletzt verschärften Mietpreisbremse. Mit dieser Regelung können Mietsteigerungen für Neuvermietungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt durch die Länder begrenzt werden - ein Subventionsprogramm für Menschen, die sich ohnehin eine Wohnung leisten können. Denn für wen entscheidet sich der Vermieter bei einer Neuvergabe seiner Wohnung? Er wird seinen Mietvertrag trotz Mietpreisbremse mit dem Doppelverdiener-Ehepaar ohne Kinder und nicht mit der alleinerziehenden Mutter mit Halbtagsjob schließen. Nachdem sich der Vermieter den solventesten Mieter ausgesucht hat, wird die Miete durch den Staat gekürzt. Wer keine Wohnung findet, schaut jedoch weiterhin in die Röhre.Damit Mieter aus einem Angebot an günstigen Wohnungen wählen können, muss die Zahl der verfügbaren Wohnungen erhöht werden. Statt das Angebot mit schlecht gemachten oder gar verfassungswidrigen Gesetzen immer weiter zu verknappen, muss der Staat endlich dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbau stimmen. Bund und Länder müssen bei der Wohnungspolitik endlich die Kosten und die bürokratischen Hemmnisse für Neubauten absenken. Dazu muss schneller, günstiger und digitaler gebaut werden. Die Fristen für Baugenehmigungen müssen kurz und transparent sein - und wenn die Genehmigung trotz des Vorliegens aller Unterlagen trotzdem nicht kommt, sollte der Bauherr nach Ablauf einer bestimmten Frist loslegen dürfen. Insgesamt lässt das Baurecht zu wenige Abweichungen und Experimente zu. Durch neue Baufreiheitszonen sollten Kreise und Kommunen das Recht erhalten, neuartige Bauprojekte zu verwirklichen - und dabei auch in die Höhe zu wachsen. Offenkundig ist die einheitliche Traufhöhe bei Gebäuden in einer Stadt manchem Verantwortlichen wichtiger als die Bewältigung von akutem Wohnraummangel.

Es gibt kein Recht auf Großstadt

Im Zuge der Corona-Krise haben außerdem viele Unternehmen ihre gemieteten Büroflächen reduziert, weil ein größerer Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mobil oder von zu Hause aus arbeitet. Leer stehende Gewerbeimmobilien müssen dann schneller in Wohnraum umgewandelt werden können. Ähnliches gilt für die Innenstädte. Verödung und Leerstand lassen sich nicht durch Vorschriften für das Einkaufsverhalten der Menschen oder durch eine Digitalsteuer bekämpfen. Wenn wieder mehr Menschen in den Innenstädten wohnen, weil in leerstehenden Gebäuden schnell neue Wohnungen entstehen, wird den Orten neues Leben eingehaucht. Die Sanierung von Innenstadt-Gebäuden muss sich für den Eigentümer allerdings lohnen - deswegen sollten die Länder unnütze Vorschriften auf den Prüfstand stellen. Nicht jede Entscheidung einer Denkmalschutzbehörde sorgt für schönere Innenstädte. Allzu oft sind Verfall und Sanierungsstau die Folge eines falsch verstandenen Denkmalschutzes.Wenn jene Menschen, die das Leben in städtischen Siedlungen am Laufen halten, wie Polizeibeamte und Beschäftigte in der Krankenpflege, selbst keinen Wohnraum mehr in städtischen Siedlungen bezahlen können, ist das nicht akzeptabel. Deswegen müssen auch in den Städten neue Baupotenziale erschlossen werden - durch eine stärkere Innenverdichtung und den Ausbau von Dachgeschossen, aber auch, indem grüne Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker wie der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt nicht am laufenden Band Neubauprojekte verhindern. Durch ein Kataster für Baulücken und Potentialflächen und eine stärkere Zusammenarbeit der Länder mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kann mehr Bauland aktiviert werden. Letzteres könnte vor allem genutzt werden, um den Sozialen Wohnungsbau günstiger zu gestalten und zu beschleunigen. Denn allzu oft hält der Bund eigene Grundstücke zurück oder gibt sie an die Kommunen zu hohen Preisen ab. In der Folge stockt es beim Sozialen Wohnungsbau.Auch außerhalb von Ballungszentren muss das Bauen und Wohnen attraktiver gemacht werden. Es gibt kein Recht auf Großstadt. Jede Familie, die sich für das Wohnen im grünen Speckgürtel um eine Großstadt oder in ländlicheren Regionen entscheidet, entlastet den Wohnungsmarkt in der Innenstadt. Durch die hohen Erwerbsnebenkosten bleibt dieser Plan für viele junge Familien aber ein Traum. Um die Grunderwerbssteuer, die einen hohen Anteil dieser Nebenkosten ausmacht, zu verringern, muss für die erste selbst genutzte Wohnimmobilie ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer eingeführt werden. So schaffen wir es, die Eigenheimquote in Deutschland zu erhöhen, die Innenstädte zu entlasten und den Menschen einen weiteren Baustein für ihre Altersvorsorge an die Hand zu geben. Linke Parteien halten eine Erhöhung der Wohneigentumsquote für weltfremd. Wie weit muss man von der Lebensrealität der arbeitenden Mitte der Gesellschaft entfernt sein, um den Wunsch nach einer eigenen Immobilie zu verkennen? Der Anteil an Wohneigentum ist in vielen anderen Staaten Europas höher als in Deutschland. Eine Erhöhung sollte auch in Deutschland möglich sein.Der Staat sollte die Wohnungsnot in Deutschland nicht durch unnütze Experimente immer weiter verschärfen. Er sollte stattdessen die Potenziale und Freiräume nutzen, um endlich für mehr Wohnungen zu sorgen.

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