Anreize für eine Reduzierung von Krankentagen setzen
Die deutsche Wirtschaft fällt im globalen Wettbewerb zurück. Um wirtschaftliches Wachstum und damit unseren Wohlstand zu erhalten, brauchen wir eine Wirtschaftswende. Zu dieser gehört insbesondere auch, Unternehmen als Arbeitgeber zu entlasten und gesetzgeberische Weichen so zu stellen, dass sie ihr volles wirtschaftliches Potenzial entfalten können.
Eine große Herausforderung stellt personelle Unterbesetzungen in vielen, vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen dar. Gründe hierfür finden sich im allgemeinen Fachkräftemangel. Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Faktor sind jedoch auch krankheitsbedingte Ausfälle unter Angestellten. Krankenkassen und Unternehmen berichten für das Jahr 2024 von neuen Höchstständen bei krankheitsbedingten Fehlzeiten. Das führt nicht nur zu Produktivitätsverlusten, es stellt für Arbeitgeber eine enorme finanzielle Belastung dar.
Vor diesem Hintergrund werden Rufe aus der Wirtschaft laut, geeignete politische Maßnahmen zur Reduktion von Krankenständen zu erreichen. So fordert der Vorstandsvorsitzende der Allianz SE medienwirksam die Wiedereinführung eines sogenannten Karenztages. Damit einher ginge die Regelung, dass Arbeitnehmer im Falle einer Krankmeldung für den ersten Krankheitstag keinen Lohnausgleich von ihren Arbeitgebern mehr erhalten würden. Diese Überlegung ist keine gänzlich neue. So wurde eine entsprechende Einschränkung des Anspruchs auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bereits im Jahr 1996 von der damaligen Bundesregierung (Kabinett Kohl V) eingeführt, von der darauffolgenden Bundesregierung (Kabinett Schröder I) allerdings im Jahr 1999 wieder weitgehend aufgehoben.
Dieser Vorschlag für einen Sanktionierungsmechanismus folgt primär einer punitiven Logik. Er entspringt der Annahme, dass ein erwarteter Lohnausfall für den ersten Krankheitstag dazu führt, dass Arbeitnehmer bei vermeintlich geringfügigen Erkrankungssymptomen von einer Krankmeldung sowie gar vom Vorschieben einer Erkrankung absehen, da sie die finanziellen Folgen für den ersten Tag selbst zu tragen hätten. Dies ist zwar diskussionswürdig, vernachlässigt aber arbeitnehmerfreundlichere Alternativen.
Vorzugswürdig gegenüber einer de-facto Bestrafung einer Krankmeldung erscheinen positive Anreize für Nicht-Krankmeldungen. Derartige Konzepte können sowohl im Sinne der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer ausgestaltet werden.
Ein geeigneter Ansatz könnte der folgende sein: Arbeitgeber sollen die optionale Möglichkeit erhalten, einem von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat, den sich dieser nicht krankmeldet, einen steuer- und abgabenfreien Bonus zusätzlich zum Grundgehalt zu gewähren.
Insgesamt könnte ein maximaler Freibetrag für derartige Boni beispielsweise bei 3000 EUR pro Kalenderjahr liegen.
Die Auszahlung der insgesamt angesammelten Boni eines Arbeitnehmers erfolgt im darauffolgenden Kalenderjahr. Verlässt der Arbeitnehmer zuvor das Unternehmen, besteht kein Anspruch auf die Auszahlung der Boni.
Dem Arbeitgeber ist vollkommen freigestellt, ob er von einer solchen Regelung gebraucht machen will oder nicht. Auch die Höhe des Betrages ist von ihm prinzipiell frei wählbar.
Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel:
Ein mittelständisches Unternehmen entscheidet sich für ein solches Bonussystem und legt den möglichen monatlichen Bonus auf 250 EUR fest. Im Beispiel gewährt der Staat eine Steuer- und Abgabenfreiheit bis zu einem Maximalbetrag von 3000 EUR pro Kalenderjahr. Ein Arbeitnehmer dieses Unternehmens würde so über ein Kalenderjahr, in dem keine Krankmeldung erfolgt, 12 x 250 EUR = 3000 EUR an Boni erreichen, die ihm im Folgejahr steuer- und abgabenfrei zusätzlich ausbezahlt würden.
Auch für Fälle des sogenannten Krankfeierns können pragmatische Ansätze ein Baustein zur Lösung sein: Wenn Arbeitnehmer notwendige Amtsbesuche oder familiäre Verpflichtungen wahrnehmen wollen, könnte dem durch ein erweitertes Gleittagmodell nach diesem Prinzip begegnet werden: Arbeitgeber gewähren ihren Arbeitnehmern für spontane anderweitige Verpflichtungen eine bestimmte Anzahl von Gleittagen pro Kalenderjahr. Diese Tage gelten nicht als Urlaubs- oder Krankentage. Die so entfallene Arbeitszeit wird vielmehr zu einem individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Zeitpunkt nachgeholt. Noch wichtiger ist aber, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz insgesamt reformiert wird, indem mit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit neue und flexible Arbeitszeitmodelle ermöglicht werden.
Berlin, 7. Januar 2025