Raus aus dem Krisenmodus der Merkel-Zeit!
Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Kolumne „Kipping oder Kuhle“ zuerst auf ntv.de: (https://www.n-tv.de/politik/politik_kipping_oder_kuhle/
Deutschland-braucht-ein-Ministeriun-fuer-Digitialisierung-einen-nationalen-Katastrophenschutz-und-einen-nationalen-Sicherheitsrat-article22755971.html)
Im Wahlkampf wird mehr über Details der Lebensläufe und Fehler in den Büchern mancher Kandidaten geredet als über das, worauf es ankommt. Wie macht man Deutschland fit für die Zukunft? Auf drei Feldern sind Reformen dringend nötig.
In der kommenden Woche findet die erste von bisher zwei geplanten Sondersitzungen des Deutschen Bundestages während der heißen Wahlkampfphase statt. Die Tagesordnung des Parlaments für den kommenden Mittwoch hat es in sich, obwohl sie nur aus drei Punkten besteht: Flut, Corona, Afghanistan. Der Bundestag entscheidet über finanzielle Nothilfen für die vom Hochwasser betroffenen Regionen in Westdeutschland. Er soll in Sachen Pandemie nach dem Willen der Ministerpräsidentenkonferenz die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" verlängern. Und er debattiert angesichts der Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban-Rebellen über die dramatische Entwicklung am Hindukusch.
Dieses parlamentarische Programm veranschaulicht, dass die Politik in Deutschland so intensiv mit dem Löschen akuter Brände beschäftigt ist, dass für strukturelle Reformen kaum Zeit und Energie bleiben. Dazu passt, dass im Bundestagswahlkampf 2021 mehr über Nebensächlichkeiten in den Lebensläufen und den veröffentlichten Büchern der Kandidaten diskutiert wird, als über die großen Fragen der Zeit. Deutschland führt keine intensive Debatte über die nötige Modernisierung des Landes. Das hängt auch damit zusammen, dass die Art der Krisenreaktion unter Angela Merkel zum einzig wahren Gradmesser für den Erfolg von Politik geworden ist. Richtig wäre es, auch die Art der Vorbereitung auf künftige Krisen sowie die strukturelle Erneuerung des Landes zum Maß guter Politik zu machen. Dabei müssen sich alle politischen Akteure die Frage stellen, ob sie die Ausdauer für einen "großen Wurf" in bestimmten politischen Bereichen mitbringen - oder ob jeder grundlegende Vorschlag zur Modernisierung des Landes von vornherein zerredet wird. Ohne entscheidende Strukturreformen wird es nicht gehen.
Das zeigen auch die aktuellen Krisen: Während der Corona-Krise hat sich der Staat nicht von seiner besten Seite gezeigt. Vor allem die öffentliche Verwaltung und das Bildungssystem sind noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Die Zahl und Struktur der für die Digitalisierung zuständigen Behörden übersteigt das Maß des Verständlichen. Es wird Zeit, dass diese Aufgaben in einem Bundesministerium für Digitalisierung konsolidiert und gebündelt werden. Als Querschnitts-Behörde könnte das neue Haus wichtige Impulse geben, um die Entwicklung auch in den Ministerien voranzutreiben, die bisher eher auf der Bremse stehen.
Deutschland braucht einen Sicherheitsrat
Die behäbige Reaktion des Staates auf die Hochwasser-Gefahr in westdeutschen Regionen hat gezeigt, dass es dringend einer Föderalismusreform im Bereich des Katastrophenschutzes bedarf. So wie der Generalbundesanwalt nach einem Terroranschlag die Ermittlungen an sich zieht und das Bundeskriminalamt mit den Ermittlungen beauftragt, muss der Bund bei einer Naturkatastrophe solchen Ausmaßes die Führung übernehmen. Stattdessen werden einzelne Landkreise mit der Koordination alleine gelassen. In den Jahren 2006 und 2009 hat es in Deutschland bereits zwei mehr oder weniger erfolgreiche Föderalismusreformen gegeben, bei denen sich Bund und Länder auf eine grundsätzliche Neuverteilung bestimmter Aufgaben einigten. Nach der Bundestagswahl 2021 braucht es erneut eine gemeinsame Kommission von Bund und Ländern, um das Verantwortungsgefüge im Bundesstaat neu zu sortieren.
Mit Blick auf die Ereignisse in Afghanistan wird immer deutlicher, dass keines der beteiligten Ministerien bereit war, im entscheidenden Moment Verantwortung für eine rechtzeitige Evakuierung deutscher Botschaftsmitarbeiter und afghanischer Ortskräfte zu übernehmen - vom Auswärtigen Amt, über das Verteidigungs- bis hin zum Innenministerium. Genau für solche Fälle braucht Deutschland in Zukunft einen Nationalen Sicherheitsrat, in dem die unterschiedlichen Ministerien und nachgeordneten Behörden vertreten sind. Dieses Gremium muss die immer stärker zusammen wachsenden Bedrohungen der inneren und äußeren Sicherheit vernetzt miteinander denken.
Vom Bundesministerium für Digitalisierung über eine Föderalismusreform im Bereich des Katastrophenschutzes bis hin zum Nationalen Sicherheitsrat - diese drei Beispiele zeigen, dass es nach der Bundestagswahl entscheidend auf eine Erneuerung staatlicher Strukturen ankommt. Bleibt zu hoffen, dass dieses Ziel in den kommenden Wochen nicht aus dem Blick gerät.