Wir sollten offen über Kriminalität reden
Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Kolumne „Kipping oder Kuhle“ zuerst auf ntv.de (https://www.n-tv.de/politik/politik_kipping_oder_kuhle/Wir-sollten-offen-ueber-Kriminalitaet-reden-article22687709.html):
Die meisten Schutz suchenden Migranten werden in Deutschland bleiben. Wir sollten darüber diskutieren, warum manche von ihnen straffällig werden. Aber auch das Wirrwarr bei Abschiebungen muss ein Ende haben.
Ende Juni tötete ein somalischer Asylbewerber in Würzburg drei Frauen bei einem Messerangriff. Fünf weitere Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Derartige Taten lösen gesellschaftliche Debatten über den Zusammenhang von Kriminalität und Zuwanderung aus – zu Recht. Zwar ist die Kriminalität im Kontext von Zuwanderung nach den aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes rückläufig. Taten wie in Würzburg sind jedoch aufgrund ihrer Brutalität geeignet, den öffentlichen Frieden und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu stören.
Deswegen braucht es eine offene Debatte über Kriminalität und Zuwanderung. Dabei darf nicht lediglich die Perspektive der Täter berücksichtigt, sondern muss auch die Perspektive der Opfer einbezogen werden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst nur solche Taten, die der Polizei bekannt geworden und durch sie bis zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft bearbeitet worden sind. Auf der Strecke bleiben Straftaten, die gar nicht zur Anzeige gelangen, womöglich, weil sich das Opfer schämt oder davon ausgeht, dass der Täter ohnehin nicht ermittelt werden kann.
Das Dunkelfeld auszuleuchten und ein realistisches Bild der Sicherheitslage in Deutschland zu erlangen, wäre eine wichtige Grundlage für eine faktenbasierte Diskussion zur Inneren Sicherheit.
Radikalisierung früher erkennen
Mit Blick auf die Täter wissen wir in Deutschland zu wenig. Taten wie in Würzburg führen uns noch einmal vor Augen, dass unser Land vor allem angesichts der hohen Zuzugszahlen der Jahre 2015 und 2016 auch spätere Straftäter aufgenommen hat. Ein großer Teil der damals als Schutzsuchende nach Deutschland gelangten Menschen hält sich auch weiterhin hierzulande auf.
Darunter sind Menschen, die mittlerweile eine Ausbildung abgeschlossen und die deutsche Sprache erlernt haben. Darunter sind Menschen, deren Kinder in Deutschland eingeschult werden und die die Heimat ihrer Eltern womöglich nur aus Erzählungen kennen lernen werden. Doch unter den damals nach Deutschland gelangten Personen sind auch Menschen, deren Traumata, deren Empfänglichkeit für Radikalisierung, aber mitunter auch deren mangelnde Integrationsbereitschaft Quelle von Gewalt und Kriminalität sein können.
Wer nach fünf Jahren als Geflüchteter in Deutschland durch Arbeit, Spracherwerb und Rechtstreue ein Teil unserer Gesellschaft geworden ist, der verdient Anerkennung und Unterstützung. Doch wem es nach fünf Jahren in Deutschland an ökonomischer oder sozialer Teilhabe fehlt, der gerät womöglich auf die schiefe Bahn. Wir müssen über die Entwicklung der Menschen, die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, mehr in Erfahrung bringen, um negative Entwicklungen aufhalten zu können. Die Früherkennung von Radikalisierung sowie das psychologische und therapeutische Angebot für diese Gruppen muss dringend ausgebaut werden.
Ausreisepflicht durchsetzen
Zu einer funktionierenden Migrationspolitik gehört auch, dass Personen ohne Bleiberecht das Land wieder verlassen müssen. Schon nach dem Völkerrecht kann sich jemand, der eine schwere Straftat begeht, nicht mehr auf seinen Flüchtlingsstatus berufen. Nötigenfalls muss die Ausreisepflicht mit Zwang durchgesetzt werden. Doch bei der Verbesserung der Abschiebepraxis hapert es in Deutschland.
Zuletzt scheiterte eine Reform des Bundespolizeigesetzes im Bundesrat. Mit der geplanten Neuregelung hätte die Bundespolizei mehr eigene Befugnisse für Abschiebungen bekommen. Heute scheitern diese oftmals im Kompetenz-Wirrwarr zwischen den lokalen Ausländerbehörden, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und eben der Bundespolizei. Auch beim Abschluss funktionierender Rückübernahmeabkommen passiert hierzulande zu wenig. Staaten sind dazu verpflichtet, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen, die eines anderen Landes verwiesen werden. Doch dazu bedarf es funktionierender völkerrechtlicher Abkommen, für deren Abschluss der Bund zuständig ist.
Die Herkunft ist niemals eine Entschuldigung für Straftaten oder Gewalt. Unser Rechtssystem geht von der freien Entscheidung des Einzelnen aus, wenn es jemanden bestrafen möchte. Der weit überwiegende Teil der Menschen, die sich heute als Asylbewerber, subsidiär Schutzberechtigte oder anerkannte Flüchtlinge in Deutschland aufhalten, machen sich nicht strafbar. Ein großer Teil dieser Menschen wird dauerhaft in Deutschland bleiben.
Es liegt in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft und der Innenpolitik, die Wahrscheinlichkeit für Kriminalität und Gewalt zu verringern. Dazu gehört auch, über eine kluge und vorausschauende Stadtplanung Ghettoisierung und Abschottung zu verhindern. Dazu gehört, dass die Instrumente des Ausländerrechts vollumfänglich eingesetzt werden. Und dazu gehört, dass Sorgen und Unsicherheiten nach Taten wie in Würzburg offen diskutiert werden.