Für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Dienst
Digitalisierung und Demografie stellen den Öffentlichen Dienst vor Herausforderungen, die wir zügig lösen müssen.
Der Öffentliche Dienst ist wesentliches Standbein unserer leistungsfähigen Gesellschaft. Deutschlandweit sind nahezu fünf Millionen Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt, davon jede und jeder zehnte als Soldatin oder Soldat, Beamtin oder Beamter, Angestellte oder Angestellter des Bundes. Nach wie vor gilt die deutsche Verwaltung im internationalen Vergleich als effizient und vorbildhaft.
Die COVID-19-Pandemie hat uns erneut vor Augen geführt, wie wichtig eine gut funktionierende Verwaltung ist, um auf spontan auftretende Krisensituationen zu reagieren. Das Engagement der Beamtinnen und Beamten sowie der Tarifbeschäftigten des Öffentlichen Dienstes hat dazu beigetragen, die Folgen der Pandemie für Gesellschaft und Wirtschaft abzufedern und die öffentliche Verwaltung trotz erheblicher Einschränkungen größtenteils funktionsfähig zu halten. Defizite im Bereich der Digitalisierung, die die öffentliche Verwaltung in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht abbauen konnte, erschwerten die Pandemiebekämpfung jedoch erheblich. Dass Gesundheitsämter entscheidende Inzidenzzahlen mit dem Faxgerät übertragen mussten, zeigt, welch enormer Nachholbedarf in den Behörden besteht. Dieser Befund trifft auf Bund und Länder gleichermaßen zu.
Um den Rückstand aufzuholen, braucht es neben überzeugenden Digitalisierungskonzepten auch das nötige Personal. Der Öffentliche Dienst konkurriert bei IT-Fachkräften und anderen hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der freien Wirtschaft. Die Argumente, die für eine Tätigkeit im Öffentlichen Dienst sprechen – Arbeitsplatzsicherheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geregelte Arbeitszeiten – reichen häufig nicht mehr aus, um geeignetes Personal auf dem Arbeitsmarkt anzuwerben. So benötigt der Öffentliche Dienst alleine für die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes 46.000 IT-Fachkräfte. Ein enormer Personalmangel droht auch wegen des bevorstehenden Ruhestands eines Drittels der Beschäftigten in den nächsten Jahren. Hier könnten mehr als 700.000 Stellen vor allem auf der mittleren Führungsebene unbesetzt bleiben. Ein Mangel an Lehrkräften und Juristen droht ebenfalls. Viele Länder haben bereits die Einstellungsvoraussetzungen für den Justizdienst erheblich gesenkt.
Gleichzeitig gelingt es der Verwaltung nicht, entsprechende Ausbildungsinhalte selbst zu vermitteln oder vorhandenes Personal qualitativ gleichwertig fortzubilden. Dies liegt auch daran, dass die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes nur in sehr begrenztem Umfang Erfahrungen außerhalb ihrer Behörde, beispielsweise in der freien Wirtschaft sammeln können. Eine Beendigung des Beamtenverhältnisses und eine spätere Rückkehr in dasselbe sind für die Beschäftigten regelmäßig mit hohem Risiko verbunden, da erneut die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Einstellung in das Beamtenverhältnis gelten. Eine Beurlaubung für die Zeit der Tätigkeit in einer anderen Funktion außerhalb der Behörde ist nur in sehr begrenztem Umfang möglich.
Die zeitlich begrenzte Beschäftigung von Fachkräften im Öffentlichen Dienst ist aufgrund der Struktur des öffentlichen Beschäftigungsverhältnisses unattraktiv. Ein erheblicher Teil der Vergütung von Beamtinnen und Beamten besteht im Vergleich zu den in der freien Wirtschaft gezahlten Gehältern in den umfangreichen Pensionsansprüchen. Ein öffentliches Dienstverhältnis ist daher für Beamtinnen und Beamte besonders vorteilhaft, wenn sie früh in den Dienst eintreten und ihn bis zum Ruhestand ausüben. Dieses System benachteiligt Berufserfahrungen, die außerhalb des öffentlichen Dienstverhältnisses gesammelt wurden. Es erschwert zudem eine Rückkehr in die freie Wirtschaft, wie sie beispielsweise bei Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten vorgesehen ist.
Um die Qualität der deutschen Verwaltung auch zukünftig sicherzustellen und Bürgerinnen und Bürgern Zugriff auf überzeugende digitale Angebote der Verwaltung zu verschaffen, muss das öffentliche Dienstrecht daher reformiert werden. Ein zeitlich begrenzter Wechsel von Beamtinnen und Beamten in die freie Wirtschaft muss leichter möglich gemacht werden. Zudem müssen wir den Öffentlichen Dienst auch für neue Bewerbergruppen öffnen. Hervorragende IT-Fachkräfte müssen nicht unbedingt Informatik studiert haben. Berufserfahrung und persönliche Fähigkeiten sind mindestens ebenso aussagekräftig wie ein Studienabschluss. Bewerberinnen und Bewerbern, die sich nicht auf einen vorgezeichneten Karriereweg festlegen möchten, müssen wir auch attraktive, zeitlich befristete Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst anbieten.
Enormes Potenzial ist auch heute schon in den Behörden vorhanden. Mit gezielten Fortbildungen können wir Personal für anspruchsvollere Tätigkeiten qualifizieren. Aufstiegs- und Beurteilungsverfahren sollten transparent und nachvollziehbar gestaltet werden, damit sich persönliches Engagement lohnt. Wertvolles Personal zwingend in den Ruhestand zu schicken, obwohl dieses motiviert ist und weiter für den Dienstherrn tätig sein möchte, können wir uns angesichts der Personalnot im Öffentlichen Dienst nicht leisten. Deshalb muss auch der Einstieg in den Ruhestand flexibel gestaltbar sein. Reibungsverluste, die bei der Arbeit in althergebrachten Behördenstrukturen entstehen, sollten wir durch einen modernen Behördenaufbau und ein digitales Arbeitsumfeld beseitigen. Wenn wir den Öffentlichen Dienst in Deutschland dauerhaft fit halten wollen, werden wir um entschlossene Reformen nicht herumkommen. Und leistungsfähige Behörden brauchen wir, nicht nur in der nächsten Krise, sondern vor allem auf dem Weg, Deutschland insgesamt moderner und zukunftsfähiger zu gestalten.