Moskaus langer Arm in Europa
Vladimir Putin versucht seit Jahren, Einfluss auf die Politik in Europa zu nehmen – mit dem Ziel in westlichen Gesellschaften Verunsicherung und Zwietracht zu säen. Er nutzt dazu Desinformationskampagnen, Cyberangriffe und verdeckte finanzielle Zuwendungen.
Konstantin Kuhle führte dazu ein Interview mit dem Münchener Merkur.
F: Herr Kuhle, Sie sagen, der lange Arm Moskaus ragt mitten in die europäische Politik – und blicken dabei besonders auf Italien. Warum?
Seit vielen Jahren unterstützt Russland extremistische Parteien in der Europäischen Union. Im Gegenzug setzen sich Vertreter dieser Parteien für eine prorussische Politik ein. Jüngst wurde der italienische Ministerpräsident Mario Draghi von seinen Koalitionspartnern gestürzt. Unter ihnen befand sich auch die rechtspopulistische Lega, deren Vorsitzender Matteo Salvini seit Langem ein Bewunderer Putins ist.
F: Das klingt ein bisschen nach Verschwörungstheorie, oder?
Italienische Journalisten haben herausgefunden, dass es im Vorfeld der Koalitionskrise enge Kontakte zwischen dem Umfeld Salvinis und russischen Diplomaten gab. Wenn einer der wichtigsten EU-Mitgliedstaaten in eine monatelange politische Hängepartie abgleitet, ist das eben ganz im Interesse des Kreml.
F: Das hieße, dass Putin auf diese Art die Einigkeit des Westens aufbrechen will…
Putin führt nicht erst seit 2022 Krieg in Europa. Diese Eskalation wird seit Jahren durch eine politische Kampagne vorbereitet. Dazu gehören Desinformation, Cyberangriffe und finanzielle Zuwendungen. Das Ziel ist klar: In westlichen Gesellschaften sollen Verunsicherung und Zwietracht gesät werden. Je mehr Europa mit sich selbst beschäftigt ist, umso besser kann Russland Fakten schaffen und Putin sich als starker Herrscher inszenieren.
F: Seit langem gibt es Berichte über ausländische Spenden für rechtsradikale Parteien. Welche Erkenntnisse gibt es?
Schon im Vorfeld der Europawahl 2019 verhandelte die Partei Matteo Salvinis mit Vertretern eines staatsnahen russischen Konzerns über finanzielle Unterstützung. Auch die rechtspopulistische französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen wurde mit einem Darlehen aus dem Umfeld des russischen Staates unterstützt. Eine mögliche russische Finanzierung der Brexit-Kampagne im Vereinigten Königreich wurde nur unzureichend aufgearbeitet.
F: Geht es nur um Russland oder auch um Geld aus China?
Es gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire autokratisch regierter Staaten, die Willensbildung in Demokratien zu beeinflussen. China geht dabei wesentlich langfristiger und strategischer vor als Russland.